„Shanghai – internationaler Wirtschaftsmotor Chinas“

Andreas Kohler ist 27 Jahre alt, hat an der DHBW Ravensburg Wirtschaftsingenieurwesen studiert und arbeitet seit 2015 am Standort der Wangener Firma Schnitzer Group in Shanghai – inzwischen als CEO Asia. In einem Interview erzählt er davon.

Herr Kohler, wie läuft es denn in diesen Corona-Zeiten gerade in China?

Das ist gerade natürlich eine spezielle Situation, ich selbst bin erst seit einem Monat wieder bei meinem Team in Shanghai, nachdem ich zuvor aufgrund von Einreisebeschränkungen ein halbes Jahr in Europa verbracht habe. Internationales Reisen war unter Auflagen wieder möglich und nach zwei Wochen in strenger Quarantäne bin ich jetzt wieder vor Ort. Hier ist inzwischen wieder alles geöffnet, Unternehmen, öffentliche Verkehrsmittel, Restaurants und Lokale… Jeder hat aber auch seine Corona-App aktiv.

Sie waren während Ihres Studiums schon in China und haben auch direkt nach Ihrem Studium an der dortigen Niederlassung der Schnitzer Group begonnen. Hat es Sie also schon immer nach China gezogen?

Mir war schon immer klar, dass ich ins Ausland will und China war da die richtige kulturelle Herausforderung. Aus zunächst einem halben Jahr sind inzwischen fünf geworden – erstmal open end.

Was genau macht die Schnitzer Group in China?

Unser Schwerpunkt bildet das das „Systemic Projectmanagement“. Typische Aufgabenpakete gehen dabei von Projektkoordination, Betriebsmittel-, Qualitäts-, und Supply Chain-Management, bis hin zu Produkt- und Prozessoptimierung. Projekte werden dabei im systemübergreifenden Zusammenhang erfasst und angepackt. Dies ist notwendig, um die erforderliche Qualität rechtzeitig und weltweit zu garantieren. Wir betreuen zum Teil Komplettprojekte, unterstützen bei der Auswahl von Lieferanten oder sind auch die Feuerwehr vor Ort, wenn Probleme auftreten. Rund 80% unserer Kunden hier in China kommen dabei aus der Automobilbranche. An unserem Standort haben wir acht festangestellte Mitarbeiter mit einem international Arbeitsmodell.

Für die Automobilbranche läuft es derzeit nicht besonders gut – haben Sie denn gerade genug zu tun?

Unser Vorteil ist unser Netzwerk und globale Präsenz durch feste Standorte. Dadurch können wir für unsere Kunden nach wie vor bei kritischen Themen innerhalb kürzester Zeit vor Ort sein. Restriktionen, Ängste und zunehmende Intransparenz führen dabei tendenziell eher zu mehr dieser Themen.

Gab es für Sie einen Kulturschock China?

Wir haben unser Büro in Shanghai hier im German Center, hier sind viele deutsche Mittelständler ansässig. Außerdem ist Shanghai eine extrem internationale Stadt. Dieses Flair genieße ich wirklich sehr. Ein tatsächlicher Kulturschock ist sicher die Arbeitsweise, das erleben wir, wenn wir mit den chinesischen Zulieferern arbeiten. Beziehungen sind hier in China auf jeden Fall alles. Und man sollte einen offenen Umgang mit den Behörden pflegen, die hier immer sehr involviert sind. China ist ein extrem großes und vielfältiges Land. Die Leute hier erlebe ich bei all den Schwierigkeiten, die es auch mal gibt, als sehr nett und positiv. Ein ganz großer Unterschied hier ist die enorme Stellung der Familie, das Zusammenleben ist ein ganz anderes Modell als in Deutschland. Wir sind auch viel in anderen Ländern in Asien aktiv, von Japan, Korea, Vietnam bis nach Indien. Dass die Arbeitskultur in jedem Land dabei komplett unterschiedlich ist, das hatte ich zu Beginn nicht auf dem Schirm.

Wie ist denn ihr Chinesisch inzwischen?

Ich sage mal ich komme über den Tag und für Small Talk reicht es. Für die Geschäftsebene auf keinen Fall. Ich habe zwar schon an der Hochschule damals ein Jahr Chinesisch gelernt – aber es ist extrem schwierig und zeitintensiv.

Sie haben Wirtschaftsingenieurwesen an der DHBW Ravensburg studiert. Was haben Sie da für ihre Arbeit jetzt mitgenommen?

Ich komme eher vom Maschinenbau und der Technik, bin aber extrem froh, in meinem Studium auch die BWL-Seite kennengelernt zu haben. Das hilft mir jetzt sehr, um mich etwa mit Bilanzen auseinanderzusetzen. Was mir auch heute noch in vielen Bereichen hilft sind die Connections und das Netzwerk mit meinen ehemaligen Kommilitonen. Eine Kommilitonin zum Beispiel arbeitet bei Bosch und ist gerade auch nach Shanghai gezogen. Viel Glück gehabt habe ich auch mit meiner Firma, der Schnitzer Group, da konnte ich schon im Studium viel praktische Erfahrung machen und viele Bereiche und andere Unternehmen kennenlernen.

Sie haben Karriere gemacht und sind schon mit 27 Jahren CEO Asia in Ihrer Firma. Was raten Sie den aktuell Studierenden, sollten sie ebenfalls solche Ambitionen haben?

Flexibel sein und bereit sein, auch mal in unangenehme Regionen und Projekte zu gehen. Dann hat man die Chance, sich auch jung schon im Job zu beweisen. Ins Ausland zu gehen und eine andere Kultur und Denkweisen zu erleben, das hat mir extrem viel gebracht.

Was werden Sie vermissen, wenn Sie nicht mehr in China arbeiten?

Auf jeden Fall das internationale Umfeld hier in Shanghai. China ist außerdem extrem digital, in dem Bereich könnte Europa noch einiges aufholen. Und die Arbeitsweise ist hier spielerischer und flexibler – nicht so reguliert wie bei uns. Das ist für junge Menschen natürlich besonders interessant.