Welche Auswirkungen hat es, wenn die überwältigende Mehrheit der Software-Entwickler und Digitalstrategen Männer sind? Was kann die DHBW leisten, um eine gendergerechtere Teilhabe an der Digitalisierung zu erreichen?

Warum das so ist und was sich ändern muss, dem ging das Symposium „Gender Tech Gap“ nach. „Wir brauchen das Potenzial gut ausgebildeter Frauen, die die Digitalisierung in den kommenden Jahren mitgestalten“, sagt Prof. Andrea Hennig vom Studiengang Mediendesign an der DHBW Ravensburg. Und doch sind heute noch viel zu wenige Frauen in führenden Positionen in der Wirtschaft und Wissenschaft, insbesondere in der Bodenseeregion, zu finden.

Es sind beeindruckende Karrieren, die die Referentinnen des Symposiums hingelegt haben. Sie alle kennen aber auch die Gründe, woran es hakt, dass es immer noch so wenige Frauen in leitende und verantwortungsvolle Posten schaffen. Wie hier ein Wandel gelingen kann? „Mein erster großer Ratschlag ist: Traut euch und springt ins kalte Wasser“, meinte Annette Rust, Executive Director bei Sinner Schrader, Accenture Interactive. Die Bundestagsabgeordnete Agnieszka Brugger (Bündnis 90/Die Grünen) wurde schon oft über ihr Aussehen definiert. Sie forderte die Frauen auf zu netzwerken und sich gegenseitig zu unterstützen. Warum das Symposium mit der DHBW Ravensburg die richtige Adresse hatte, machte Annette Rust ebenfalls deutlich: „Nur 3% der Frauen können sich eine Karriere im technischen Bereich vorstellen. Auch die Hochschulen sind hier in der Pflicht, mehr zu tun.“

„Die Welt muss einen genauen Blick darauf werfen, welches Geschlecht Technologien mit künstlicher Intelligenz zugeschrieben wird, und vor allem, wer das tut“, sagt die Leiterin des UNESCO-Bereichs für Gleichberechtigung in der gerade erschienenen UNESCO-Studie. Lina Hansen, Kreativ-Konzeptionerin aus Berlin, bezog sich mit konkreten Fallbeispielen und Studien aus dem Silicon Valley auf die Tatsache, dass technischer Fortschritt und Digitalisierungsprozesse überwiegend männlich geprägt sind – in ihrer konkreten Anwenderausrichtung und auch in der kollektiven gesellschaftlichen Wahrnehmungswirkung.

Es gibt viele Gründe, warum Frauen in Spitzenpositionen vor allem in digitalen Branchen in Deutschland noch immer Mangelware sind. Und jeder Grund bietet somit auch Lösungsansätze, die die DHBW Ravensburg einbeziehen.

Einige Aspekte dazu:

Die Rolemodels fehlen – das Stereotyp für eine Führungskraft ist männlich

„Das Bild einer Frau als Chefin muss sich einprägen, gute Frauen ganz vorne müssen sichtbar werden“, sagt Betty Schimmelpfennig, Managing Director der Digitalagentur Elastique und Dozentin an der DHBW Ravensburg. Stereotype als Problem.

Fehlendes Einfordern von Gleichstellung

„Frauen fordern nicht genug“, sagt Betty Schimmelpfennig. Sie vergleicht zum Beispiel die Art der DHBW-Student*innen, ihre Semesterarbeiten zu präsentieren. Studenten mit Getöse und Selbstvertrauen, Studentinnen deutlicher leiser und „mit angezogener Handbremse“. Das beobachtet auch Ulrike Hudelmaier, Leiterin des Startup- und Innovationszentrums TFU für Ulm und Neu-Ulm. Nur 10% unserer Gründer*innen sind weiblich. „Ich beobachte, dass die Frauen sich zu wenig zutrauen und zu realistisch denken. Mein Rat ist: Höher zielen!“

Rollenstereotype in der Familie

Die eigenen Eltern sind ein wichtiger Faktor – wie bei Betty Schimmelpfennig, „meine Eltern haben mir immer vermittelt, dass ich alles kann“. Und: Auch wenn es leicht unromantisch erscheint lohnt es sich, die eigene Familiengründung mit dem Partner im Vorfeld genau abzusprechen. Pragmatischer Tipp von Ulrike Hudelmaier: „Augen auf bei der Partnerwahl.“

Das Problem ist deutsch – nirgends ist der Gender Pay Gap, der Gender Leadership Gap und der Gender Science Gap größer als in Deutschland

Asien, USA oder die nordischen Länder machen es vor, hier sind viel mehr Frauen längst in den guten Positionen angekommen, haben Hochschulen und große Digitalunternehmen schon längst ihren Gender Tech Gap behoben. Geeignete Vorbilder gäbe es. Schwierig wird es, wenn die DHBW Ravensburg selbst die geforderte Mindestquote von 20% Frauen in Forschung und Lehre im Jahr 2019 noch immer nicht erreicht. Auch hier ist die Hochschule konkret gefordert.

Das Symposium Gender Tech Gap an der DHBW Ravensburg wurde im Rahmen des Professorinnen-Netzwerks vom Studiengang Mediendesign ausgerichtet, die Leitung hatten Prof. Andrea Hennig und Betty Schimmelpfennig. Finanziert wurde es aus Mitteln des Professorinnen II Programms. 

Die nächste Möglichkeit zur Wissenserweiterung und Reflektion gibt es am 6. Februar 2020 beim Gender Tech Gap Labor.

Die Referent*innen: Betty Schimmelpfennig (Managing Director Digitalagentur Elastique), Heidi Detzel-Stöble (Mediatorin und Dozentin), Ann-Kathrin Ganzhorn (UX-Architektin bei der United Digital Group), Lina Hansen (Concept Creative bei TLGG Berlin), Claudia Herling (Stellvertretende Vorsitzende des Internationalen Gender Design Networks), Prof. Eckhard Rocholl (Rocholl Conceptual Design), Ulrike Hudelmaier (Leiterin Startup- und Innovationszentrum TFU für Ulm/Neu-Ulm), Annette Rust (Executive Director bei Sinner Schrader), Sabrina Scherzinger (Designerin).