Wissen wirkt weiter – Baden-Württembergs Hochschulen im Dialog über die Zukunft des Wissenschaftsstandorts
Die Podiumsteilnehmenden des Abends (v.l.): Prof. Dr. Martina Klärle, Präsidentin der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Moderator Prof. Stephan Ferdinand, Dr. Timm Kern MdL, Katharina Lechner, Doktorandin an der Hochschule Aalen, Adrian Keller, Vorstand Landesstudierendenvertretung Baden-Württemberg, Gabi Rolland MdL, Andreas Schwarz MdL, Wissenschaftsministerin Petra Olschowski MdL, Prof. Dr. Michael Weber, Vorsitzender der Landesrektoratekonferenz Baden-Württemberg und Präsident der Universität Ulm, Prof. Dr. Jörg-U. Keßler, Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz der Pädagogischen Hochschulen und Rektor der PH Ludwigsburg, Dr. Alexander Becker MdL, Prof. Dr. Stephan Trahasch, Vorsitzender der Rektorenkonferenz der HAW in Baden-Württemberg und Rektor der Hochschule Offenburg.
Unter dem Motto „Wissen wirkt weiter“ haben Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft und Politik in Stuttgart über die Zukunft des Wissenschaftsstandorts Baden-Württemberg diskutiert. Unter der Moderation von Stephan Ferdinand wurde deutlich: Die Themen reichen von Finanzierung und Bürokratieabbau über Demokratiebildung bis hin zu internationaler Wettbewerbsfähigkeit und Verteidigungsforschung.
Olschowski: Vernetzung, Vertrauen und starke Allianzen
Wissenschaftsministerin Petra Olschowski hob die Bedeutung des kontinuierlichen Austauschs zwischen Politik, Hochschulen und Gesellschaft hervor: „Ein großer Trumpf Baden-Württembergs ist unsere sehr ausdifferenzierte Hochschul-landschaft. Mit Blick auf die Zukunft ist es essenziell, dass wir unsere Kräfte bündeln und die Hochschularten übergreifend sowie interdisziplinär zusammenarbeiten – so kann jede ihre eigenen Stärken einzubringen. Wichtig ist, die Gesellschaft dabei mitzunehmen und sie für die Zukunftsthemen zu begeistern, an denen unsere Hochschulen forschen und zu denen sie lehren.“
Mit Blick auf demokratische Herausforderungen plädierte Olschowski für starke Verbünde und Allianzen, die wissenschaftlich und gesellschaftlich wirken können. Eine „Konsolidierung“ im Sinne von Hochschulschließungen werde es laut ihr nicht geben, wohl aber eine stärkere Clusterbildung nach inhaltlichen Schwerpunkten – insbesondere in Feldern wie Sicherheit und Verteidigung.
Hochschulen als Motor für Demokratie, Transfer und Wohlstand
Prof. Dr. Martina Klärle, Präsidentin der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), betonte die enge Verbindung der DHBW zu den Unternehmen des Landes als zentrales Alleinstellungsmerkmal – warnte aber davor, diese besondere Partnerschaft als selbstverständlich hinzunehmen. „Die wirtschaftliche Lage beeinflusst die Bereitschaft vieler Betriebe, in Studierende zu investieren. Wir müssen die Unternehmen ermutigen, weiterhin in junge Menschen zu investieren“, so Klärle.
Prof. Dr. Stephan Trahasch, Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz der HAW in Baden-Württemberg und Rektor der Hochschule Offenburg, unterstrich, dass eine lebendige Demokratie vom gesellschaftlichen Zusammenhalt lebe. Investitionen in Studierendenwerke, Forschung und Transfer seien daher Investitionen in die Zukunft. Mit Blick auf das sinkende Interesse an MINT-Fächern im eigenen Land, aber die hohe Nachfrage internationaler Studierender, plädierte er deutlich für die Abschaffung der Studiengebühren für internationale Studierende. „Wir brauchen Offenheit für internationale Talente statt Zugangshürden.“
Mit Blick auf die Lehrerbildung betonte Prof. Dr. Jörg-U. Keßler, Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz der Pädagogischen Hochschulen und Rektor der PH Ludwigsburg: „Bei den meisten Herausforderungen an der Schnittstelle von Hoch-schul- und Schulpolitik herrscht Einigkeit darüber, dass es akuten Handlungsbedarf gibt. Bei der Umsetzung wünschen sich die Pädagogischen Hochschulen ein ressortübergreifendes Engagement aller Akteure im neu gegründeten Verbund für Lehrkräftebildung, sei es bei der Etablierung neuer Standards etwa für Digitalisierung, sei es bei der Sicherung einer qualitätvollen Lehrkräftebildung oder auch in Mangelfächern.“
Keßler warnte in diesem Zusammenhang vor einer wachsenden Skepsis gegenüber Wissenschaft: „Zweifel und gefühlte Wahrheiten gefährden die Demokratie.“ Frühkindliche Bildung und Sprachförderung seien daher entscheidend, um Grundlagen für wissenschaftliches Denken zu legen. Zudem müsse das Bild des Lehrerberufs verbessert und Lehrkräfte stärker entlastet werden, um sich wieder auf Bildungsinhalte konzentrieren zu können.
Bürokratieabbau als Daueraufgabe
Deutliche Worte fand Prof. Dr. Michael Weber, Vorsitzender der Landesrektoratekonferenz Baden-Württemberg und Präsident der Universität Ulm, zur zunehmenden Bürokratisierung an Hochschulen: „Das Land sollte Vertrauen in die Universitäten und ihre gelebte Fehlerkultur haben. In der Wissenschaft ist es selbst-verständlich, aus Fehlern zu lernen und kreative Lösungen zu finden. Für eine erfolgreiche Entbürokratisierung halten wir es für wichtig, Hochschulen mehr Eigen-verantwortung zuzutrauen. Eine zu enge Kontrolle im Sinne umfassender Berichtspflichten bremst die Entwicklung neuer Ideen und ihren Transfer in die Praxis aus“, kritisierte Weber.
Die Landespolitik nahm den Ball auf. Diskutiert wurden Vorschläge, um doppelte Datenerhebungen zu vermeiden, Berichtspflichten zu reduzieren und digitale Systeme zu verbessern. Entlastungsallianzen könnten zudem die Eigenverantwortung der Hochschulen stärken. „Das Ziel muss sein, Prozesse schlanker zu machen“, bekräftigte Wissenschaftsministerin Olschowski.