Die Sekunden der Wahrheit – Von der Entertainisierung in der Politik

Pünktlich zur US-Wahl ist ein Sammelband zur politischen Kommunikation erschienen. Darin enthalten ist ein Beitrag von Prof. Dr. Simon Ottler und René Resch, M.Sc., beide DHBW Ravensburg, und Dr. Reza Kazemi, European Association of Political Consultants. Mitherausgeber des neuen Sammelbands sind die Professoren Dan Schill und Rita Kirk, die für ihre Analysen für den Sender CNN bekannt sind. Zuletzt hatten sie die TV-Debatten zwischen Hillary Clinton und Donald Trump öffentlichkeitswirksam untersucht.

In den heutigen Wahlkämpfen spielen moderne Technologien eine immer wichtigere Rolle. Egal, ob es sich um Fernsehdebatten oder Nachrichten im Fernsehen, soziale Medien oder um News Alerts auf dem Smartphone handelt: Politische Kommunikation funktioniert heute in Echtzeit. Traditionelle Methoden der Kommunikationsforschung reichen daher nicht mehr aus, um die Wirkung politischer Kommunikation angemessen zu untersuchen und Wahlkampfstrategien vorzubereiten.

Die Buchautoren arbeiten zum Teil für namhafte Unternehmen wie CNN, Google, Microsoft und Twitter. Sie stellen unterschiedliche Methoden vor, mit denen sich die Wirkung von Politikerauftritten auf potenzielle Wähler sekundengenau erfassen lässt.

Ottler, Kazemi und Resch beobachteten in ihrem Beitrag einen deutschen Bundestagsabgeordneten bei verschiedenen Fernsehauftritten, um der Frage nachzugehen, wie erfolgsversprechend die Strategie der Entertainisierung in der Politik ist.

Mit Hilfe von Drehreglern teilte ein Testpublikum den Forschern mit, an welchen Stellen der Politiker mit seinen Aussagen und Handlungen in den Sendungen punkten konnte. Gleichzeitig analysierte eine Software die Gesichtsausdrücke ausgewählter Probanden. Über ein Facial Coding konnten die Forscher Rückschlüsse über die emotionalen Wirkungen der gesehenen Sendungen zu jedem Zeitpunkt ziehen. Außerdem beantworteten die Teilnehmer am Ende der Studie zahlreiche Fragen zu dem im Fokus stehenden Politiker und dessen Auftritten. Insgesamt nahmen 90 Testpersonen an der Studie im MediaLab der DHBW Ravensburg teil.

Ergebnis des Methodenexperiments: Grundsätzlich lassen sich Menschen, die sich nur wenig für Politik interessieren, durch Auftritte in Unterhaltungssendungen aktivieren. Die potenziellen Wähler sind dabei durchaus in der Lage zwischen der Rolle als Politiker und als Mensch zu unterscheiden. Unterhaltungsformate eignen sich, um einen Politiker in seiner Rolle als Mensch positiver aussehen zu lassen. Wenn es jedoch um die Wahrnehmung als Politiker geht, können Auftritte in Unterhaltungsformaten auch kontraproduktiv wirken und schnell zu einer Polarisierung in der Wahrnehmung führen.

Das Buch mit dem Beitrag von Ottler, Kazemi und Resch ist unter dem Titel: „Political Communication in Real Time. Theoretical and Applied Research Approaches“ bei Routledge (Taylor & Francis Group, New York und London) erschienen. Herausgeber sind Dan Schill, Rita Kirk und Amy E. Jasperson. Es ist als Paperback (ISBN 978-1-138-94941-6), Hardcover (ISBN 978-1-138-94940-9) und als eBook (ISBN 978-1-315-66908-3) erhältlich.